Sicherer Hafen München: Ein weiterer kleiner Schritt ist getan

Nachdem der Stadtrat im Juli beschlossen hat, dass München dem Bündnis Sicherer Häfen beitritt, ging es in einem weiteren Beschluss nun um die konkretere Ausgestaltung.

Der eigentlich zur Abstimmung gestandene Referentinnenentwurf enthielt leider wenig Konkretes zu den von der zivilgesellschaftlichen Bewegung Seebrücke geforderten Inhalten und war mehr geprägt von Eigenlob der Stadt München und einem Blick auf bereits Geleistetes in der Vergangenheit. Vor allem ein Änderungsantrag der Fraktion Die Grünen-Rosa Liste erhielt aber erfreulicherweise einige konkrete Ansatzpunkte, um den Begriff „Sicherer Hafen“ lebendig werden zu lassen.

So wird nun geprüft, die geplante Patenschaft für das NGO-Seenotrettungsschiff „Ocean Viking“ durch Einrichtung eines Spendenkontos zu mehr als nur Symbolpolitik werden zu lassen. Der Stadtrat hat außerdem (gegen die Stimmen von CSU und SPD) beschlossen, aus Seenot gerettete Menschen ähnlich eines Relocation-Programmes direkt aufzunehmen und unterzubringen.

Außerdem richtet die Stadt einen detaillierten und regelmäßig zu aktualisierenden Web-Auftritt zu Hintergrund und Zielen der Seebrücke-Initiative sowie zu den entsprechenden städtischen Aktivitäten und politischen Fortschritten im Rahmen des Bündnisses Sicherer Häfen ein.

 

Unsere Bewertung des Beschlusses vom 3. Dezember im Einzelnen:

Am 3. Dezember 2019  wurde im Sozialausschuss des Münchner Stadtrats ein Referentinnenentwurf zum Thema Seenotrettung im Mittelmeer und der Situation in griechischen Flüchtlingslagern behandelt und angenommen. Ergänzt wurde er durch einen Änderungsantrag der Fraktion Die Grünen/Rosa Liste, der ebenfalls beschlossen wurde.

Der ursprüngliche Antrag ist geprägt von Informationen über bereits Geleistetes der Stadt, enthält jedoch kaum konkrete Maßnahmen. Für ein Eigenlob auf 13 Seiten bedarf es aus unserer Sicht keines Antrags. Aufgewertet wird er erst durch den Änderungsantrag.

Die Punkte im Einzelnen:

1) Aufnahme von Geflüchteten durch die Landeshauptstadt München

Hier wird darauf hingewiesen, dass kommunale Alleingänge bei der Aufnahme von Geflüchteten nicht wirkungsvoll sind und es nationaler und europäischer Lösungen bedarf. Das klingt doch sehr nach Abgabe der Verantwortung. Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass regionale und kommunale Alleingänge ausreichen können und müssen, um auf die nationaler und europäischer Ebene Druck auszuüben und um sich nicht weiterhin Tatenlosigkeit vorwerfen zu lassen. Druck von unten auszuüben ist außerdem die Hauptaufgabe des Bündnisses Städte Sicherer Häfen, dem die Stadt München beigetreten ist.

Weiterhin werden humanitäre Aufnahmeprogramme, wie SAVE ME, als Begründung angeführt, um den Sicheren Hafen nicht nach den Seebrücke Maßstäben umzusetzen.

2) Aufträge aus der Sitzung des Sozialausschusses am 18.07.2019

Unter diesem Punkt werden erneut die Tätigkeiten der Stadt genannt, unter anderem die Unterzeichnung der Potsdamer Erklärung. Wie sich die Stadt München zu dieser Initiative verhält, welche Bestrebungen die Stadt hat, um diese Initiative innerhalb Bayerns voranzubringen und inwieweit sie im Austausch mit anderen Kommunen/Städten in Bayern steht, um Druck auf die Landesebene aufzubauen, wird hier nicht erklärt.

3) Patenschaft Flüchtlingslager Ioannina

Eine Delegation in das griechische Flüchtlingslager zu schicken, um anschließend einmalig oder dauerhaft Hilfstransporte dorthin zu organisieren, begrüßen wir. Doch auch hier macht es sich die Stadt zu leicht. Um in griechischen Flüchtlingslagern wirklich zu helfen, sollte München alles daransetzen, dass Menschen von diesen Lagern aus umverteilt werden, unter anderem auch nach München.

4) Patenschaft Seenotrettungsschiff

Ursprünglich waren unter diesem Punkt lediglich Benefizveranstaltungen für SOS Méditerranée sowie die Auslagerung der Verantwortlichkeiten der Stadt an zivilgesellschaftliche Organisationen oder z.T. ehrenamtlich arbeitende Menschen, wie z.B. die Seebrücke oder das Bellevue di Monaco geplant; es ist jedoch nicht Aufgabe dieser Gruppen, Beschlüsse bzw. das Umsetzen von Beschlüssen der Stadt durchzuführen. Eine finanzielle Unterstützung der Seenotrettungsorganisation wurde als nicht möglich erklärt.

8) neu

Hier greift nun der Änderungsantrag der Fraktion Die Grünen/ Rosa Liste. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass es neben der offiziellen Patenschaft auch eine Überprüfung der temporären Einrichtung eines städtischen Spendenkontos mit der Option einer Verdopplung des eingegangenen Spendenbetrages durch städtische Mittel geben soll. Wesentlich ist, dass es nicht bei einer reinen Überprüfung bleibt, sondern auch die Umsetzung erfolgt. Dennoch ist es zumindest erstaunlich, dass es erst des Drucks der Seebrücke München und eines Änderungsantrags der Grünen/ Rosa Liste bedurfte, um das zu erwirken. Zuvor zu erklären, dass eine finanzielle Unterstützung nicht möglich sei, ohne jedoch Wege zu suchen, wie es doch möglich gemacht werden kann, zeugt von mangelnder Kreativität und bürokratischer Starrheit beim Umgang mit diesem Thema.

 

Die Punkte 9) und 10) enthalten zentrale Forderungen der Seebrücke. Es ist natürlich besonders erfreulich, dass auch diese Forderungen angenommen wurden. Dabei muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass hierfür teilweise die Stimmen der Mitglieder des Kinder- und Jugendausschusses, die nicht Stadtratsmitglieder sind, nötig waren.

Der Inhalt in Kurzform: Die Bayerische Landesregierung soll den Vorstoß des Landes Berlin im Bundesrat zur Änderung des Aufenthalts-Gesetzes für die Autonomie der Bundesländer bei der Einsetzung von Humanitären Aufnahmeprogramme unterstützen. Sie soll ein Humanitäres Aufnahmeprogramm für aus Seenot gerettete Geflüchtete einrichten. Zudem sollen die Bundes- und die Bayerische Landesregierung aufgefordert werden, deutlich höhere Aufnahmequoten im Rahmen des Resettlements zu vereinbaren. Weiterhin soll erreicht werden, dass Bund und Land eine eigenständige Norm zur kommunalen Aufnahme einführen, sodass die Stadt München aus Seenot gerettete Menschen direkt und zusätzlich zur Verteilungsquote Asylsuchender nach dem Königsteiner Schlüssel aufnehmen kann.

Für all diese Maßnahmen ist der Einsatz des Oberbürgermeisters Dieter Reiter gefragt, um Druck auf die entsprechenden Ebenen auszuüben. Das ist natürlich besonders wirkungsvoll, wenn es gemeinsam mit anderen Städten/Kommunen geschieht. Doch genügt dabei kein einmaliger Anruf oder Brief an die Bundes- oder Landesregierung. Den Forderungen halbherzig nachzugehen, nur um einen Arbeitsnachweis vorweisen zu können, wäre ein Affront gegenüber all jenen, deren Menschenrechte tagtäglich an den europäischen Außengrenzen wie z.B. dem Mittelmeer mit Füßen getreten werden. Um den Forderungen wirklich gerecht zu werden, ist ein ehrliches, das heißt ein dauerhaftes Engagement erforderlich, zum Beispiel im Zusammenwirken mit den anderen bayerischen Sicherer Hafen-Städte und -Kommunen. 

Aus diesem Grund ist auch der Punkt 11) von Bedeutung. Er regelt, dass es einen detaillierten und regelmäßig aktualisierten Web-Auftritt mit Zielen der Seebrücke, den entsprechenden städtischen Aktivitäten und politischen Fortschritten im Rahmen des Bündnisses Sicherer Häfen geben wird. Dadurch können die Tätigkeiten der Stadt und deren Wirksamkeit überprüft werden.

 

In diesem Antrag sind einige wichtige Forderungen der Seebrücke enthalten, andere bleiben weiterhin unberücksichtigt. Wir verweisen gerne auf die Definition und Forderungen der Seebrücke zum Thema sicherer Hafen. In den bisherigen Beschlüssen zu diesem Thema fehlen ganz konkret: 

Der Einsatz für sichere Fluchtwege

  • sich für sichere Fluchtwege und das Ende der EU-Abschottungspolitik einsetzt, damit Menschen nicht mehr auf lebensgefährlichen Routen fliehen müssen.

Fehlt immer noch komplett!

  • sich darüber hinaus aktiv für staatliche Seenotrettungsmissionen einsetzt.

Die Öffentlichkeit ist der Wirkungsgrad. Gemeinsam mit anderen Städten Öffentlichkeitsarbeit leisten, um so den Druck nach oben aufzubauen. Ständige Angst vor rechten Agitatoren lähmt unsere solidarische Gesellschaft.

Kommunales Ankommen und Bleiben gewährleistet

  • für Bleibeperspektiven eintritt und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen Abschiebungen einsetzt. Sie ist nicht nur Sicherer Hafen, sondern zugleich Solidarische Stadt für alle Menschen.

Keine ANKER Zentren in München! Das Engagement der Stadt in diesem Bereich ist positiv zu bewerten. Da die Stadt selbst nicht Entscheidungsträgerin in diesem Bereich ist, erachten wir es für bedeutend, dass sich die Stadt aktiv positioniert, Druck auf die Regierung von Oberbayern ausübt und sich auch auf Landesebene vernetzt. Außerdem würde hierzu zählen, dass sich die Stadt aktiv gegen den Neubau eines Abschiebegefängnisses am Münchner Flughafen stellt und ihre Position als Anteilseignerin nutzt.

 

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