Die Seebrücke München zu den Anträgen zum Thema „Sicherer Hafen München“ der Stadtratsfraktionen Grüne/Rosa Liste/Die Linke und SPD

Beim Thema Sicherer Hafen darf es nicht um parteipolitische Spiele und Machtkämpfe in der Münchner Kommunalpolitik gehen, sondern um konkrete Inhalte und deren Umsetzung. Es geht darum, dass München in Wort und Tat Solidarität zeigt und Humanität hoch hält. Es geht darum, dass sich München endlich positioniert und gemeinsam mit dem Bündnis „Städte Sicherer Hafen“ Ansätze findet, um kommunale Aufnahmeprogramme umzusetzen und Druck auf die übergeordneten politischen Instanzen auszuüben. Die Erklärung zum Sicheren Hafen muss mehr sein als ein reines Lippenbekenntnis. Es muss ein Bekenntnis sein, sich aktiv zu Vernetzen und konkrete Handlungsansätze zu erarbeiten und diese dann umzusetzen.

Uns liegt es fern uns parteipolitisch zu äußern, jedoch werden im Sozialausschuss am 18.7. und zwei Eilanträge zum Thema Sicherer Hafen behandelt [Update 17.7.: Die zum Thema vorliegenden Anträge sollen am 18.7. in Form eines Referentenentwurfs behandelt werden, der die aus Sicht der Sozialreferentin wichtigsten Punkte zusammenfasst. Aus Sicht der Seebrücke fehlen darin aber wichtige Inhalte, mehr dazu hier], welche sich inhaltlich unterscheiden. Zudem hat die SPD-Fraktion am 1.7.19 einen Antrag „#opentheports: München unterstützt aktiv die Seenotrettung im Mittelmeer​​​​​​​“ gestellt. Wir möchten die vorliegenden Anträge anhand unserer Kriterien für einen Sicheren Hafen einordnen.

Sicherer Hafen ist zunächst einmal ein Label, welches sich jede Kommune und Stadt selbst zuschreiben kann. Einer solchen Erklärung müssen also nicht zwingend Handlungen folgen. Es gibt aber eine von der Seebrücke erarbeitete minimale Definition, was wir von einer Kommune erwarten, die sich selbst als Sicherer Hafen bezeichnet. Die jetzt für München vorliegenden Anträge an den Stadtrat sind anhand dieser Kriterien zu messen, um festzustellen, wie weitreichend die unterschiedlichen Ansätze gehen:

 

1. Öffentliche Solidarisierung mit Flüchtenden und Rettenden

Antrag Grüne/Rosa Liste/Die Linke:

„Die Rettung von in Seenot geratenen Menschen ist eine rechtliche und moralische Verpflichtung für alle. Über 2.200 Geflüchtete sind nach UN-Angaben im vergangenen Jahr im Mittelmeer gestorben, jeden Tag sterben 6 weitere Menschen. Ohne die Arbeit privater Rettungsschiffe wäre die Zahl noch viel höher. Doch ihre Arbeit wird immer wieder behindert, die Schiffe werden in unterschiedlichen europäischen Häfen festgehalten oder es wird ihnen die Einfahrt verwehrt.“

Antrag SPD vom 12.7.19:

„Aus Humanität und Solidarität mit den Menschen, die an den europäischen Außengrenzen in Seenot geraten, möchten wir München zu einem „Sicheren Hafen“ der Seebrücke erklären.“

Antrag SPD vom 1.7.19:

„Die Stadt unterstützt mit 100.000 Euro ein Seenotrettungsschiff der Organisation Sea Watch.“

„München als weltoffene und liberale Stadt steht für eine Politik der Menschlichkeit und Solidarität.​​​​​​​“

„Der Münchner Oberbürgermeister wird gebeten, sich mit dem Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, in Verbindung zu setzen, und konkret zu erörtern, wie München an der italienischen Küste bei der Versorgung von Geflüchteten unterstützen kann.“

„Auch jetzt möchten wir konkret in Italien helfen. Die Stadtverwaltung soll so schnell wie möglich spürbare Unterstützungsmaßnahmen in Italien und Griechenland umsetzen.“

2. Öffentliche Positionierung gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung

Antrag Grüne/Rosa Liste/Die Linke:

„Ohne die Arbeit privater Rettungsschiffe wäre die Zahl noch viel höher. Doch ihre Arbeit wird immer wieder behindert, die Schiffe werden in unterschiedlichen europäischen Häfen festgehalten oder es wird ihnen die Einfahrt verwehrt.“​​​​​​​

„Das jüngste Beispiel der Sea Watch 3 zeigt eindringlich, wie wichtig es ist, politische Verantwortung zu übernehmen und das unsägliche Spiel mit Menschenleben zu beenden​​​​​​​“

Antrag SPD vom 12.7.19:

Antrag SPD vom 1.7.19:

„Die Rettung von Leben an den Außengrenzen der Europas zu kriminalisieren, ist der Werte, aufgrund derer die Europäische Union einst zusammengefunden hat, unwürdig.“

„Der Münchner Oberbürgermeister appelliert an den Bundesaußenminister, dass Deutschland sich für eine Wiederaufnahme der europäischen Seenotrettung engagiert und Carola Rackete sofort freigelassen und ihre strafrechtliche Verfolgung eingestellt wird.“

3. Bereitschaft zur Aufnahme Geflüchteter zusätzlich zur Quote

Antrag Grüne/Rosa Liste/Die Linke:

„Die Landeshauptstadt München erklärt sich zum sicheren Hafen für aus Seenot gerettete Geflüchtete und bietet der Bundesregierung an, die Geflüchteten von deutschen Seenotrettungsschiffen, darunter der Sea Watch 3, aufzunehmen.“

„…sollte München als größte Kommune in Deutschland sich seiner humanitären Verantwortung stellen, Städte wie Kiel, Berlin und Rottenburg zum Vorbild nehmen und sowohl für den jetzigen Fall als auch insgesamt für aus Seenot gerettete Geflüchtete die Bereitschaft zur Aufnahme erklären.“

Antrag SPD vom 12.7.19:

„Es ist uns bewusst, dass Münchens Aufnahmekapazitäten angesichts von fast 10.000 Wohnungslosen, denen wir perspektivisch einen Weg aus der Wohnungslosigkeit eröffnen müssen und wollen, nicht unendlich sind. Dennoch möchten wir unsere Bereitschaft erklären, Menschen in Not aufzunehmen.​​​​​​​“

4. Einsatz auf Landes-, Bundes- und Europaebene für eine Veränderung der Aufnahmemöglichkeiten

Antrag Grüne/Rosa Liste/Die Linke:

„Zudem sollte sich der Oberbürgermeister aktiv auf allen politischen Ebenen für ein solidarisches europäisches Asylsystem anstatt der nach wie vor geltenden Dublin-Verordnung einsetzen, die ein solch inhumanes Verhalten der EU-Länder begünstigt.“

Antrag SPD vom 12.7.19:

„Wir möchten uns gemeinsam mit vielen anderen deutschen Städten, die Oberbürgermeister und Stadtregierungen unterschiedlichster Parteizugehörigkeit haben, dafür einsetzen, dass die zuständigen politischen Verantwortlichen in Europa endlich das Sterben im Mittelmeer und das Elend in den Flüchtlingslagern beenden“

„In einem Gespräch mit der Seebrücke München haben wir uns zudem davon überzeugt, dass eine gemeinsame basisdemokratische Initiative der deutschen Kommunen ein starkes Gewicht entfalten kann, auch wenn selbst großen Städten wie München im Moment die rechtlichen und tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten bei der Rettung von Menschen aus Seenot noch fehlen.​​​​​​​“

5. Das Ankommen Flüchtender in München gewährleisten

 

Antrag Grüne/Rosa Liste/Die Linke:

Antrag SPD vom 12.7.19:

„Es ist uns bewusst, dass Münchens Aufnahmekapazitäten angesichts von fast 10.000 Wohnungslosen, denen wir perspektivisch einen Weg aus der Wohnungslosigkeit eröffnen müssen und wollen, nicht unendlich sind. Dennoch möchten wir unsere Bereitschaft erklären, Menschen in Not aufzunehmen.“

6. Vernetzung auf nationaler und europäischer Ebene und Eintritt in das Bündnis „Städte Sicherer Hafen“

Antrag Grüne/Rosa Liste/Die Linke:

„Damit unterstützt München wie inzwischen 66 deutsche Städte (darunter Berlin, Hamburg und Köln) die Initiative „Seebrücke – schafft sichere Häfen“ und deklariert unsere Stadt als sicheren Hafen (https://seebruecke.org/startseite/sichere-haefen-in-deutschland/), wie dies auch die Initiative “Seebrücke München” fordert.“

Antrag SPD vom 12.7.19:

„Die Landeshauptstadt München soll der Koalition von inzwischen über 70 deutschen Städten und Landkreisen beitreten, die ihre Solidarität mit Menschen auf der Flucht und ihre Bereitschaft zur Aufnahme von in Seenot geratenen Menschen erklärt haben.“

„Wir möchten uns gemeinsam mit vielen anderen deutschen Städten, die Oberbürgermeister und Stadtregierungen unterschiedlichster Parteizugehörigkeit haben, dafür einsetzen, dass die zuständigen politischen Verantwortlichen in Europa endlich das Sterben im Mittelmeer und das Elend in den Flüchtlingslagern beenden“

Antrag SPD vom 1.7.19:

„Der Münchner Oberbürgermeister wird gebeten, sich mit dem Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, in Verbindung zu setzen, und konkret zu erörtern, wie München an der italienischen Küste bei der Versorgung von Geflüchteten unterstützen kann.“

7. Transparenz in Handlungen und Bestrebungen, das Konzept Sicherer Hafen umzusetzen

Antrag Grüne/Rosa Liste/Die Linke:

Antrag SPD vom 12.7.19:

Das Fazit der Seebrücke München:

Beide Anträge nehmen in Ihren Begründungen (indirekt) Bezug auf die Forderungen der Seebrücke: „…möchten wir München zu einem „Sicheren Hafen“ der Seebrücke erklären“ (Antrag SPD 12.7.19) und „…und deklariert unsere Stadt als sicheren Hafen (https://seebruecke.org/startseite/sichere-haefen-in-deutschland/), wie dies auch die Initiative “Seebrücke München” fordert“ (Antrag Grünen/Rosa Liste/Die Linke). Für uns bleibt bei diesen Formulierungen unklar, inwiefern sich die Anträge unsere Forderungen explizit zu eigen machen, sofern die einzelnen Punkte nicht im Antragstext aufgegriffen werden (siehe oben). Die explizit genannten Forderungen sind in beiden Anträgen unvollständig, bzw. bleiben immer wieder hinter den Minimalforderungen der Seebrücke zurück. Wir bitten daher die Antragsteller*innen, im Vorfeld der Abstimmung öffentlich klar zu machen, inwieweit die Forderungen der Seebrücke explizit Bestandteil der Anträge sind und sie sich diese zu eigen machen.

Weiterhin sehen wir die Gefahr, dass es durch die konkurrierenden Anträge aus parteipolitischen und wahlkampftaktischen Überlegungen dazu kommen könnte, dass keiner der Anträge angenommen wird, obwohl endlich grundsätzlich eine breitere Bereitschaft besteht, Verantwortung seitens des Stadtrates zu übernehmen.

Wir möchten deshalb alle willigen Parteien dazu auffordern, sich überparteilich auf ein Vorgehen zu einigen, um eine Entscheidung möglich zu machen, die alle Forderungen der Seebrücke eindeutig umfasst, und endlich München zum einem Sicheren Hafen macht. Nach so langer Zeit stände es München gut zu Gesicht, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und gemeinsam mit anderen Städten und Kommunen einen Beitrag zur Verbesserung der unhaltbaren Zustände zu leisten.

Vor allem aber darf das Thema nicht zu einem Lippenbekenntnis werden! Ob eine Stadt Sicherer Hafen wird, misst sich an den konkreten Handlungen in Kommunalpolitik und Verwaltung. Es wird zukünftig nicht mehr ausreichen, stetig den eigenen guten Willen zu bekunden, um dann bei der Umsetzung immer wieder auf die rechtlichen Hürden und schwierigen Rahmenbedingungen kommunalpolitischen Handelns zu verweisen.

Wir appellieren an die Münchner*innen: Hört zu und schaut hin was am 18.7.19 und am 24.7.19 im Rathaus passiert. Haltet gemeinsam mit uns den zivilgesellschaftlichen Druck hoch, damit dem Bekenntnis auch Taten folgen.

Die Anträge im Volltext (pdf):