Offener Brief an die Münchner Kommunalpolitik und Stadtgesellschaft

Sehr geehrte Bürgermeister*innen, sehr geehrte Stadträt*innen, liebe Münchner*innen!

Seit 18.10.21 protestieren geflüchtete Menschen aus ganz Bayern in München vor der Zentralen Ausländerbehörde Oberbayern in der Hofmannstrasse gegen sogenannte „Botschaftsvorführungen“ und die damit einhergehende Gefahr von Abschiebungen in ein von Armut, Unsicherheit und den Folgen von Bürgerkrieg und Ausbeutung geprägtes Land.

Konkretes Ziel der „Anhörung zur Identitätsklärung“ durch eine Botschaftsdelegation aus Sierra Leone ist die Ausstellung eines Passersatzdokuments, das die Einreise in das (vermeintliche) Herkunftsland und damit erzwungene Abschiebungen ermöglichen soll. Die Feststellung der angeblichen Identität erfolgt dabei auch nach intransparenten, oft rassistischen Kriterien wie Hautfarbe, Dialekt oder anderen körperlichen Merkmalen. Auch die intransparente Zusammensetzung der Delegation wird kritisiert, denn es kam bei vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit vor, dass seitens deutscher Behörden hohe Summen an die Delegationsteilnehmenden gezahlt wurde, nicht selten selbst Profiteure von Verfolgung und Ungleichheit im vermeintlichen Herkunftsland. Gefällige Anhörungsergebnisse stehen dann zumindest im Raum.

München hat sich als „Sicherer Hafen“ dazu bereit erklärt, Menschen die aus Seenot gerettet werden Schutz und eine sichere Bleibeperspektive zu bieten. Im Sinne dieses Beschlusses ist schon einiges passiert, von einer Spendensammlung für die Seenotrettung über Bemühungen, Menschen in Not aus Afghanistan oder den Lagern auf den Griechischen Inseln aufzunehmen.

In diesem Sinne appellieren wir an die Münchner Stadtgesellschaft und ihre politischen Vertreter*innen, sich auch an die Seite von Menschen zu stellen, die nicht zurück in ein Land gezwungen werden wollen, in dem ihnen Armut, Perspektivlosigkeit und weiterhin politische Verfolgung droht.

Wir appellieren an unsere Stadt München, einen Schritt weiter zu gehen in Richtung einer Solidarischen Stadt, die allen Menschen unabhängig von Herkunft oder Status eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. München könnte dem Beispiel von Zürich folgen, das letztes Jahr die „Züri City Card“ einführte, um illegalsierten Menschen die Wahrung ihrer Grundrechte zumindest auf kommunaler Ebene zu ermöglichen.

München hat in der Vergangenheit gezeigt, dass wir in der Lage sind, Menschen in Not unbürokratisch und konkret zu helfen. Wir wenden uns deshalb an die Stadt und ihre Vertreter*innen und bitten diese eindringlich, sich zu positionieren und auf die Seite der von Abschiebung bedrohten Menschen in München zu stellen und auch damit spürbare Schritte auf dem Weg zu einer Solidarischen Stadt zu gehen.

22.10.2021
Seebrücke München

 

Die Seebrücke München ist als Lokalgruppe Teil der internationalen zivilgesellschaftlichen Bewegung Seebrücke. Wir fordern eine starke Seenotrettung und offene Häfen, Ursachenbekämpfung, sichere Fluchtrouten und eine EU, ihre Staaten und ein München, die sich solidarisch zeigen und flüchtenden Menschen Schutz bieten. Wir wollen Brücken bauen, keine Mauern!

PDF Download: 211022_offenerbrief_stadt_muenchen_seebruecke